Kiefererkrankungen – Eine Gefahr für die Mundgesundheit.
Der Kiefer und der Mund sind in ihrer Anatomie und Funktion so eng miteinander verbunden, dass Kiefererkrankungen und Kieferfehlstellungen sich auch oft auf den Mund und seine Gesundheit auswirken. Und umgekehrt – Probleme mit den Zähnen haben auch Einfluss auf den Kiefer. Wir haben die wichtigsten Erkrankungen des Kiefers für Sie zusammengefasst. Denn nur, wenn Kiefer und Mund gesund sind, sind auch Sie gesund.
Zahn- und Kieferfehlstellungen – da läuft was schief.
Das menschliche Gebiss ist selten perfekt – die meisten haben kleinere Fehlstellungen. Nicht alle müssen behandelt werden. Doch neben der optischen Beeinträchtigung können Zahn- und Kieferfehlstellungen – in Fachkreisen Dysgnathie genannt – auch zu Karies und Parodontitis sowie Schleimhaut- und Zahnfleischentzündungen führen. Bei stärkeren Fehlstellungen können auch das Kauen, Beißen und Sprechen beeinträchtigt sein. Zahn- und Kieferfehlstellungen sind häufig angeboren, können aber auch durch Gewohnheiten und fehlende Pflege entstehen. Ursachen sind unter anderem:
- Zu viele, zu wenige oder verlagerte Zähne.
- Zu große oder zu kleine Zähne oder auch ein zu großer oder zu kleiner Kiefer.
- Fehlfunktionen der Zunge beim Sprechen oder Schlucken.
- Daumenlutschen, Schnuller- oder Flaschensaugen – Folge ist ein sogenannter offener Biss, bei dem sich die Zähne so verschieben, dass sie nicht mehr aufeinander treffen. Deshalb sollten Kinder spätestens ab dem dritten Lebensjahr keinen Schnuller mehr bekommen.
- Frühzeitiger Verlust der Milchzähne – dadurch können die nachfolgenden Zähne nicht richtig nachwachsen. Daher auch bei kleinen Kindern unbedingt auf eine gute Mundhygiene achten!
Anzeichen für Fehlstellungen können neben schiefen Zähnen und starkem Über- oder Unterbiss, auch folgende sein:
- Probleme beim Kauen und Beißen
- Schmerzen im Kiefergelenk
- Zähne, die aus der Zahnreihe hervortreten oder zurückliegen
- behinderter Lippenschluss
- Mundatmung mit erhöhter Infektanfälligkeit
- Sprachfehler wie Lispeln
- Kopfschmerzen
- Verspannungen im Hals- und Nackenbereich
- Schnarchen
Sollte aus optischen oder medizinischen Gründen eine Therapie nötig sein, erstellt Ihr Kieferorthopäde eine genaue Diagnose. Dafür werden Abdrücke von Ober- und Unterkiefer genommen und Röntgenaufnahmen gemacht, um Zahndurchbrüche, Zahnanzahl sowie Zahn- und Bissposition genau zu untersuchen und gegebenenfalls auch Größe, Form und Wachstumsrichtung von Ober- und Unterkiefer zu prüfen. Die Korrektur beginnt je nach Schwere der Fehlstellungen bereits im frühen Kindesalter – meist jedoch erst nach dem 9. Lebensjahr. Auch im Erwachsenenalter können noch Kiefer- und Zahnfehlstellungen auftreten, zum Beispiel durch nächtliches Zähneknirschen oder den Durchbruch der Weisheitszähne. Die Therapie bei Erwachsenen ist meist etwas langwieriger, doch durchaus möglich. Im Wesentlichen gibt es bei Kiefer- und Zahnfehlstellungen drei Behandlungsbereiche:
- Die Orthodontie korrigiert die Fehlstellung einzelner Zähne in ihrem Knochenfach.
- Die zahnärztliche Orthopädie korrigiert die Lage der Kiefer zueinander durch Veränderungen des Kieferknochens.
- Die komplexe Funktionskieferorthopädie verändert die Kieferform durch Muskelreize.
Malokklusion – wenn sich der Mund nicht richtig schließen lässt.
Die Malokklusion ist eine spezielle Form der Fehlstellung – hier ist der Zusammenbiss von Ober- und Unterkiefer gestört. Die Schlussbissstellung der unteren und oberen Zahnreihe bei geschlossenem Mund weicht so von der Norm ab, dass der gesamte Biss unzureichend ist. Auslöser können einzelne Zähne sein, die falsch stehen, aber auch Kieferverformungen wie der offene Biss oder der vorzeitige Kontakt beim Zusammenbiss durch falsch angepasste Füllungen und Kronen. Zu einer Malokklusion gehören auch der Kreuzbiss und der Hackbiss. Werden Malokklusionen nicht behandelt, können Karies, Zahnüberempfindlichkeit, Parodontitis und Zahnabreibungen die Folge sein – und natürlich ästhetische Beeinträchtigungen. Wie bei anderen Kiefer- und Zahnfehlstellungen ist auch hier der Kieferorthopäde der richtige Ansprechpartner.
Bruxismus – der Kiefer unter Hochdruck.
Unter Bruxismus versteht man eine unbewusste Aktivität der Kaumuskeln in Form von Zähneknirschen und Kieferpressen. Schätzungen zufolge leidet ein Drittel der Deutschen an Bruxismus, darunter deutlich mehr Frauen als Männer. Zu den Ursachen gehören Stress, Angststörungen und Depressionen. Durch das Zusammenbeißen werden psychische Belastungen und Spannungen abreagiert – die Betroffenen beißen buchstäblich die Zähne zusammen. Doch auch veränderte Zahnstellungen oder Zahnformen, zu hohe Kronen, Füllungen, Zahnlücken, schlecht sitzende Prothesen oder Brücken, mangelhafte Zahnimplantate und kieferorthopädische Fehlregulierungen können der Auslöser sein.
Bruxismus gibt es auch tagsüber – doch die meisten knirschen nachts im Schlaf, vor allem während der REM-Schlafphase. Dabei werden die Zahnreihen mit einem sehr hohen Druck aufeinandergepresst und gerieben. Das ist viel mehr als beim normalen Kauen – und auch mehr als auf Dauer gesund ist. Viele merken gar nicht, dass sie mit den Zähnen knirschen, es sei denn der Partner weist sie darauf hin. Dabei haben diese extremen Kräfte einige gesundheitsgefährdende Auswirkungen:
- Risse im Zahnschmelz und Schädigung der Zahnoberflächen.
- Zahnfleischschwund und empfindliche Zahnhälse.
- Entzündungen und Schädigung des Zahnhalteapparates.
- Lockerung der Zähne.
Greifen die Beschwerden auf den Kiefer und den Körper über, spricht man von einer Craniomandibulären Dysfunktion (CMD). Diese kann sich durch folgende Symptome bemerkbar machen:
- Kiefer- , Gesichts- und Kopfschmerzen bis hin zu Migräne
- Knacken und Reiben der Kiefergelenke beim Öffnen und Schließen des Mundes
- Schädigung der Kiefergelenke
- Muskelverspannungen im Kopf- und Hals- und Schulterbereich
- Ohrenschmerzen oder Ohrgeräusche wie Tinnitus
Suchen Sie bitte Ihren Zahnarzt auf, wenn Sie häufig mit den Zähnen knirschen – so können Folgeschäden vermieden werden. Bruxismus sollte spätestens behandelt werden, wenn CMD-Symptome auftreten oder Zähne oder Zahnhalteapparat Schäden aufweisen. Ihr Zahnarzt fertigt Ihnen dann eine Aufbissschiene an, die Zähne und Zahnhalteapparat schützt und die Kaumuskulatur und die Kiefergelenke entlastet. Gleichzeitig sollten die Ursachen selbst natürlich soweit wie möglich beseitigt werden. Empfohlen werden auch Entspannungstechniken für den Stressabbau bis hin zu Verhaltens- oder Psychotherapie. Auch eine Physiotherapie kann helfen, die Muskelverspannungen zu lösen.
Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) – vom Kiefer in den Körper.
Mit Craniomandibulärer Dysfunktion (CMD) bezeichnet man Fehlfunktionen des Kiefergelenks und der daran beteiligten Muskeln und Knochen. In Deutschland sind rund 8 % der Bevölkerung davon betroffen. Die Beschwerden sind dabei sehr vielfältig, denn der Kauapparat ist ein hochkomplexes System, das über Muskeln und Nerven eng mit Kopf, Wirbelsäule, Gehirn und anderen Organen verknüpft ist. So können Funktionsstörungen des Kausystems Beschwerden und Erkrankungen im Stütz- und Bewegungsapparat des Körpers auslösen. Hier die häufigsten Symptome, die auf eine CMD hinweisen:
- Schmerzen in der Gesichts- und Kaumuskulatur
- Knacken, Reibung und Schmerzen im Kiefergelenk
- Eingeschränkte Kieferöffnung
- Zähneknirschen oder -pressen (Bruxismus)
- Kopfschmerzen und Migräne
- Verspannungen und Schmerzen in Kopf-, Hals- oder Schulterbereich
- Ohrenschmerzen und Ohrgeräusche wie Tinnitus
- Sehstörungen
- Schwindel
- Schlafstörungen
- Nächtliche Atemstörungen und Schnarchen
Oft wissen Patienten nicht, dass diese Beschwerden durch eine Funktionsstörung des Kauapparates ausgelöst werden und suchen jahrelang bei verschiedenen Fachärzten nach Hilfe. Wegen der komplexen Zusammenhänge zwischen Kiefer und Körper ist gerade hier eine gute Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten, Orthopäden und anderen Fachärzten sowie Physiotherapeuten und Osteopathen wichtig und hilfreich.
Der Zahnarzt sollte zuerst Ursachen wie erhöhte Kronen/Füllungen oder schiefe Zähne beseitigen und den Sitz von Prothesen prüfen. Funktionsschienen aus Kunststoff helfen, den normalen Biss wiederherzustellen. Diese werden nachts auf der unteren Zahnreihe getragen, um eine gleichmäßige Belastung der Kiefermuskeln zu erreichen. Die Schiene wirkt sich wiederum auf die Körperstatik aus, denn die Kiefermuskeln sind mit den Nackenmuskeln und diese wiederum mit den Rückenmuskeln verbunden. CMD-erfahrene Zahnärzte stimmen die Schiene mit einem Physiotherapeuten oder Orthopäden ab, um zu gewährleisten, dass sie die Körperstatik positiv beeinflusst. Nur so können sich die Beschwerden verbessern oder sogar völlig verschwinden. Zusätzlich helfen auch Wärme- und Kältetherapien, manuelle Therapien, Akupunktur, Pflanzenheilkunde und Entspannungstechniken.
Kiefergelenkarthrose – wenn die Belastung zu viel wird.
Werden die Kiefergelenke übermäßig abgenutzt, kommt es häufig zu einer Kiefergelenkarthrose. Diese degenerative Verschleißerscheinung tritt meist im Alter auf – Ursache ist eine zu starke oder falsche Belastung. Diese Belastung entsteht zum Beispiel durch Verlust der Backenzähne, schlecht angepassten oder abgenutzten Zahnersatz, Kronen und Zahnfüllungen. Auch nächtliches Zähneknirschen, Kieferfehlstellungen und extremer Stress können das Kiefergelenk so beanspruchen, dass es zu einer Arthrose kommt. Dabei wird der Knorpelüberzug der Gelenkflächen immer dünner bis er aufreißt. In der Folge wird die Knochensubstanz angegriffen und es kommt zu Entzündungserscheinungen. Die häufigsten Symptome einer Kiefergelenkarthrose sind
- Ziehende oder ausstrahlende Schmerzen beim Kauen, Gähnen und Mundöffnen.
- Eingeschränkte Beweglichkeit des Unterkiefers.
- Knacken oder Knirschen beim Mundöffnen.
- Kopf-, Nacken-, Ohren- und Schulterschmerzen.
Zur Diagnose einer Kiefergelenkarthrose wird eine Röntgenaufnahme gemacht – so lassen sich die mit einer Arthrose verbundenen Formveränderungen an den Gelenkknochen erkennen. Ziel der Behandlung ist die Beseitigung bzw. Linderung der Schmerzen und Geräusche, eine verbesserte Kaufähigkeit und ein Verlangsamen des Verschleißprozesses. Die Therapien sind dabei so individuell wie die Ursachen. Dazu gehören neben Aufbissschienen und Physiotherapie – vor allem bei länger anhaltenden Beschwerden – auch Gelenkspülungen (Arthrocentese). Generell sollten die Ursachen für die Fehl- und Überbelastung erkannt und soweit möglich beseitigt werden. Um die Gelenkschmerzen zu reduzieren, hilft es auch, die Verspannungen der betroffenen Muskulatur zu lösen und die Durchblutung anzuregen. Ratsam sind Massagen oder auch alternative Heilmethoden wie Akupunktur. Doch Sie können auch selbst einiges tun, um die Beschwerden zu lindern:
- Vermeiden Sie übermäßigen Stress, er kann Entzündungen verstärken und unbewusstes Zahnknirschen zur Folge haben. Entspannen Sie sich und gönnen Sie sich regelmäßige Auszeiten. Erkundigen Sie sich zusätzlich nach Entspannungstechniken, um Stress abzubauen.
- Steigen Sie auf eine entzündungssenkende Ernährung um. Dazu gehört Fisch, vor allem Makrele und Hering, sowie frische Kräuter und Gewürze. Es wird auch empfohlen auf Weizen zu verzichten und stattdessen lieber Dinkel, Hirse oder Amaranth zu essen.
Kiefersperre und Kieferklemme – wenn das Öffnen und Schließen Probleme macht.
Als Kiefersperre bezeichnet man einen eingeschränkten oder behinderten Kiefer- bzw. Zahnreihenschluss. Mögliche Ursachen sind eine Verrenkung des Unterkiefers (Kieferluxation), eine Kieferfraktur, eine Kiefergelenkarthritis oder auch eine Kiefergelenkarthrose. Das Gegenteil ist eine Kieferklemme – hier kann der Mund nicht vollständig geöffnet werden. Auslöser hier sind meist ein Krampf der Kaumuskulatur (Trismus), eine plötzliche Verlagerung der Knorpelscheibe des Kiefergelenks vor das Gelenkköpfchen oder auch eine lokale Entzündung mit begleitender Schwellung, zum Beispiel bei Weisheitszahndurchbrüchen oder -operationen.